Geschlechtsspezifische Kommunikation

Geschlechtsspezifische Kommunikation

Gibt es eine Frauen – und eine Männersprache?

Menschen haben unterschiedliche Gesprächsstile und Kommunikationsverhalten. Kommen zum Beispiel Menschen aus verschiedenen Regionen eines Landes zusammen, kann es dazu kommen, dass es aufgrund der zahlreichen Varianten einer Sprache zu Kommunikationshürden kommt.

Aber auch Frauen und Männer sprechen verschiedene Sprachen, da sie im Grunde in verschiedenen Kulturen aufgewachsen sind. Ein Gespräch zwischen Mann und Frau kann als interkulturelle Kommunikation gesehen werden.

Hast du dir auch schon mal gedacht: Männer und Frauen kommunizieren total unterschiedlich?

Oder: Das ist ja mal wieder typisch Mann/ Frau?

Oder hast du unwillkürlich bei einer Äußerung in einem Gespräch gedacht: Das würde eine Frau/ ein Mann so nie tun oder sagen?

Kategorien im Kopf – Wie Frauen und Männer kommunizieren!

Offensichtlich haben wir alle bestimmten Kategorien im Kopf, wie Frauen und Männer typischerweise kommunizieren. Es geht um gendertypische Verhaltensweisen. Gender meint dabei das soziokulturelle Geschlecht: es äußert sich in erlernten oder erfahrenen Mustern, die einem bestimmten Geschlecht in unserer Gesellschaft zugeschrieben werden. Es wird geprägt durch Vorstellungen, Erwartungen und Verhaltensnormen.

Beispiele dafür sind:

„Mädchen sitzen nicht breitbeinig.“

„Jungs weinen nicht.“

„Der Mann muss mal richtig auf den Tisch hauen.“

„Du bist so eine richtige kleine Prinzessin.“

„Jungs dürfen auch mal laut sein“.

„Typisch Frau: immer so emotional“.

Sprache bildet Wirklichkeit ab: wenn Frau oder Mann solche oder ähnliche Anmerkungen immer wieder hört, formt das natürlich ein ganz bestimmtes Bild. Es bilden sich Kategorien aus: was angebracht ist und was nicht, wie Frau und Mann sich verhalten.

Die sogenannten maskulinen Verhaltensweisen lassen sich öfter bei Männern finden, sowie sogenannte feminine Verhaltensweisen bei Frauen. Genauso gut lassen sich diese Merkmale jeweils beim anderen Geschlecht wiederfinden. So können Männer feminine Verhaltensweisen an sich haben und Frauen männliche Merkmale.

Wenn wir von gendertypischen Verhaltensweisen sprechen, meint das ‚typisch‘ folgendes: es sind Muster und Verhaltensweisen, die bei Studien ein größerer Teil der Frauen als der Männer gezeigt hat, und umgekehrt.

Die wissenschaftliche Erforschung der genderorientierten Kommunikation

Die wissenschaftliche Erforschung der genderorientierten Kommunikation beginnt 1973 mit der Linguistin Robin Lakoff. Sie stellt fest: Weibliche Kommunikation habe eine Art, die Frauen leicht unterdrückbar mache. Denn diese Kommunikation ist geprägt durch Vorsicht, Höflichkeit, demonstrierter Unsicherheit und Bescheidenheit.

Frauen neigen dazu öfter Fragen zu stellen, in der Wissenschaft spricht man von „question tags“.

Statt Behauptungen aufzustellen, sichern sich Frauen gerne mit Adverbien wie: „irgendwie“, „oder so“ und Einleitungen wie: „Ich finde, meine, denke…“ ab.

Männliche Kommunikation ist durchsetzungsstärker.

Die Soziolinguistin Deborah Tannen geht davon aus, dass für Männer Gespräche Verhandlungen sind, in denen man sich behaupten muss. Männer sehen sich eher als Individuum einer hierarchischen Ordnung, in der der eigene Status stets auf dem Spiel steht. Gespräche werden so zum Wettkampf.

Frauen hingegen sehen sich als Individuum in einem Netzwerk aus sozialen Bindungen. Gespräche sind Verhandlungen über Nähe und Unterstützung in einer Gemeinschaft.

Dieses Verhalten führt nach Tannen zu einer Beziehungssprache (rapport-talk) der Frau und einer Berichtsprache (report-talk) des Mannes. Danach fühlen sich Männer eher wohl, wenn sie „öffentlich“ sprechen und Frauen, wenn sie „privat“ sprechen. Dieses Verhalten ist wiederum die Basis für typische Kommunikationssituationen zwischen Mann und Frau.

Andere Worte und andere Welten: Gibt es eine Frauen- und eine Männersprache?

Typisch weibliches Gesprächsverhalten wird stark von der jeweiligen Eigenwahrnehmung geprägt und Frauen betrachten sich oft als innerhalb eines Netzwerks zwischenmenschlicher Bindungen agierend. Gespräche haben hier vorrangig das Ziel Nähe zu erlangen.

Dabei geben sich Frauen oft gegenseitig Bestätigung und Unterstützung und zielen in erster Linie auf Übereinstimmung. Erzählt eine Frau beispielsweise gegenüber einer Freundin, dass sie einen bestimmten Gegenstand verloren hat, so kann es vorkommen, dass diese antwortet, dass ihr schon einmal etwas Ähnliches passiert sei.

Für männliche Kommunikationspartner ist diese Art der Kommunikation Ausdruck von Unentschlossenheit oder gar unsicherem Verhalten, weil sie sich selbst in der Regel direkt und ohne Beschönigungen sprachlich äußern. Sie wollen durch Gespräche analysieren und Unstimmigkeiten aus der Welt schaffen. Frauen kommunizieren bevorzugt auf der Beziehungsebene, also emotional, während Männer in der Regel die Sachebene präferieren.

Die unausgesprochene Sprache der Proxemik in der Kommunikation

Proxemik ist die Lehre davon, wie Menschen den Raum nutzen, um zu kommunizieren, und wie dies die soziale Interaktion beeinflusst. Sie wurde erstmals in den 1960er Jahren von dem Kulturanthropologen Edward T. Hall eingeführt, um zu verstehen, wie Menschen den Raum in der Kommunikation nutzen.

Wenn wir die Proxemik in der Kommunikation verstehen, können wir uns unseres eigenen und des persönlichen Raums anderer bewusster werden, nonverbale Signale besser interpretieren und auf sie reagieren und unser eigenes Verhalten entsprechend anpassen. Das kann uns helfen zu lernen, wie wir Proxemik in der Kommunikation und in sozialen und zwischenmenschlichen Interaktionen effektiv nutzen können.

Sicherlich hast du schon mal Menschen beobachtet, wie Frauen und Männer manchmal in der U-Bahn oder in anderen Verkehrsmittel sitzen. Wenn sich jemand breit macht, nimmt es mehr Platz ein als es braucht. Sich breit machen ist eher ein männliches Verhalten.

Den meisten Mädchen wird von klein auf beigebracht, mit geschlossenen Beinen dazusitzen oder sie besser noch übereinanderzuschlagen: es soll ja niemand unter den Rock gucken, oder?

Frauen und Männer – Paraverbale Gegensätze?

In der Art des Sprechens unterscheiden sich Frauen und Männer. Die paraverbale Kommunikation beinhaltet unter anderem Tonfall, Stimme wie auch die Sprechgeschwindigkeit.

Auch gibt es deutliche Unterschiede in der Lautstärke des Redens. Einer dunklen, warmen und kräftigen Stimme schreibt man in der Regel Kompetenz zu und sie wirkt beruhigen. Da Frauen in der Regel eine höhere Stimme haben, sind sie im Nachteil.

Frauen sprechen häufig leiser als Männer und werden deshalb oftmals überhört. Die höhere Frequenz der weiblichen Stimmlage wird sogar manchmal als schrill und damit auch als unangenehm empfunden.

Das macht sich besonders in Konfliktsituationen bemerkbar. Aufregung und Anspannung führen zu einer unterwürfigen Körperhaltung, die Folge ist eine flachere Atmung. Stimmklang und Stimme werden noch leiser und damit wird weniger Kompetenz ausgestrahlt. Im Gegensatz dazu verändern Männer bei Anspannung, Ärger oder in kritischen Situationen unbewusst ihre Körperhaltung und richten sich auf. Der Brustraum ist somit vergrößert und sie haben mehr Luft für ihre Stimme zur Verfügung, diese wird dann lauter und durchdringender.

Kann es sein, dass Du mir nie zuhörst?

Auch in der Art des Zuhörens unterscheiden sich Frauen und Männer voneinander. Frauen hören hörbar zu. Sie nehmen am Gespräch aktiv teil und tauschen im Dialog Emotionen aus. Sie signalisieren ihre Aufmerksamkeit zusätzlich durch Nicken und geben verbale Rückmeldung durch Worte, wie „aha“, „hmh“, „oh nein“, „ja ja“ und „echt?“.

Der Mann ist dagegen eher der geräuschlose Zuhörer. Außerdem schweifen und lenken sie rascher ab. Ihre Aufmerksamkeitsspanne beim „Aktiven zuhören“ ist deutlich geringer. Eine Frau interpretiert die fehlende Rückmeldung auf das Gesagte unter Umständen als grundsätzliches Desinteresse und reagiert mit Anpassung oder Ausstieg.

Warum reden wir nicht?

Der Umgang mit dem Schweigen ist eine weitere Quelle für Missverständnisse. Für Männer kann Schweigen Ausdruck tiefster Verbundenheit sein, während Frauen enge Verbundenheit eher im Reden und sich Mitteilen ausdrücken und herstellen wollen.

Sie empfinden schweigende Männer als distanziert und möglicherweise sogar als bedrohlich. Eine schweigende Frau hingegen will sich mitteilen, sie schweigt oft aus taktischen Gründen.

Männer stimmen oft stillschweigend zu und empfinden Frauen, die das Schweigen offenbar nicht „aushalten“ als unsicher, nervig und störend.

Wenn Männer Probleme haben, regeln sie diese lieber allein und wollen nicht darüber sprechen. Sie wollen „schweigend“ mit ihren Problemen fertig werden.

Wer sich selbst versteht, kann besser kommunizieren!

Eine Möglichkeit bietet sich vor allem in der Aufmerksamkeit und Akzeptanz gegenüber dem eigenen Kommunikationsverhalten, wie auch den Kommunikationsgewohnheiten des anderen. Es ist wichtig, bestimmte Aspekte in der Art der Kommunikation, die immer wieder zu Missverständnissen und unangenehmen Reaktionen führen, zu reflektieren und dementsprechend sein Kommunikationsverhalten anzupassen oder zu verändern.

Es gibt Hoffnung für die Zukunft, dass wir zugewiesene Kommunikationsrollen überwinden können. Denn: Gewohnheiten lassen sich durchbrechen. Die Basis dafür ist wie so oft das Verständnis der unterschiedlichen Gesprächsstile.

Wenn Du mehr über die geschlechtsspezifische Kommunikation erfahren möchtest, kannst Du bei einem unserer Workshops mitmachen.