Anti-Bias Ansatz Definition
Der Anti-Bias-Ansatz ist ein pädagogisches Konzept, welches in den 1980er Jahren in den USA von Louise Derman-Sparks und Carol Brunson-Philips entwickelt wurde.
„Bias“ bedeutet Voreingenommenheit oder Schieflage. Mit “Anti-Bias” soll deutlich gemacht werden, dass neben dem Fokus auf individuellen Vorurteilen und Haltungen einzelner Menschen, insbesondere auch gesellschaftliche Schieflagen, Macht- und Herrschaftsverhältnisse in der Anti-Bias-Arbeit in den Blick genommen werden müssen.
„Wir begeben uns auf eine lebenslange Reise, die in uns selbst beginnt“.
(Louise Derman- Sparks)
Ziel des Ansatzes ist es, eine intensive, erfahrungsbasierte Auseinandersetzung mit Macht und Diskriminierung zu ermöglichen.
Anti-Bias wird auch mit „vorurteilsbewusst“ übersetzt.
Niemand ist vorurteilsfrei. Es geht darum zu verstehen, dass gelernte Bilder unbewusst wirksam sind. Im Anti-Bias Ansatz wird der Blick auf den Kontext gelenkt, auf gesellschaftlich geteilte Bewertungen und strukturell ungleiche Verteilung von Macht.
Der Anti-Bias-Ansatz zielt darauf, die eigene Machtposition zu reflektieren, die Selbstverständlichkeit eigener Privilegien zu hinterfragen, Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, und auf dieser Grundlage zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Machtposition zu gelangen.
Die Erkenntnis des eigenen Mitspielens in diskriminierenden Strukturen ist ein wichtiger und schwieriger Punkt. Mir einzugestehen, dass ich Teil bin von Ungerechtigkeiten, ist oft mit Scham- und Schuldgefühlen verbunden. Doch der Schritt ist notwendig, um handlungsfähig zu werden, um konkret alternative Betrachtungs- und Handlungsweisen zu entwickeln.
Der Anti-Bias Ansatz beschäftigt sich mit verschiedenen Formen von Diskriminierung basierend auf unterschiedliche Vielfaltsdimensionen und Aspekte wie z.B. Gender, soziale Klasse, sexuelle Orientierung, Alter, ethnische Herkunft, körperliche Gesundheit, usw.. Es wird die gesellschaftliche Bewertung von Unterschieden betrachtet. Dieses Zusammenwirken und Ineinandergreifen von verschiedenen Diskriminierungsformen ist bekannt mit dem Begriff der „Intersektionalität“.
Der Anti-Bias Ansatz richtet sich an alle Menschen
Vorurteile und Diskriminierung tragen zur Aufrechterhaltung von Machtverhältnissen bei, weil sie gesellschaftlich als Ideologien institutionalisiert sind.
Durch die Erzeugung von Ungleichheitsverhältnissen und dem Handeln in hierarchischen Strukturen wird davon ausgegangen, dass alle Menschen Erfahrungen sowohl als diskriminierende als auch diskriminierte Personen machen. Dies durchbricht das dualistische Verhältnis von Täter*in-Sein oder Opfer-Sein.
Mit der Herangehensweise über die eigenen Erfahrungen als diskriminierte Person kann im Austausch mit anderen Menschen ein Empathie Verständnis entstehen, nämlich dann z.B., wenn das Gegenüber potenziell entlang anderer Differenzlinien von Diskriminierung betroffen ist. Gleichzeitig können durch die Reflexion eigener Erfahrungen diskriminierende Handlungsmuster und gesellschaftliche Kontexte und Machtverhältnisse erkannt werden, mit dem Ziel, diese Handlungsmuster zu verändern.
Um die gegenseitige Empathie zu ermöglichen, wird deshalb dafür plädiert, den Kommunikationsraum beschuldigungsfrei, aber nicht wertfrei, zu gestalten.
Die eigene Haltung als zentrales Element machtkritischer Arbeit
Zentral geht es darum, eigene Wahrnehmungen und Normalitätsvorstellungen in einer von Ideologien durchzogenen Welt zu reflektieren und zu verstehen, in wie weit gesellschaftliche Machtverhältnisse Auswirkungen auf Individuen haben.
Menschen werden in eine Welt hinein geboren, in der schon Strukturen und Kategorien von Dominanz- und Unterdrückungsverhältnissen in Jahrhunderten – mit dem Patriachat, dem Kapitalismus/der Industrialisierung, dem Kolonialismus, der Aufklärung und den aufkommenden Wissenschaften – aufgebaut wurden. Dies führt dazu, dass sie Wissensbestände übernehmen und internalisieren.
Wenn z.B. jemand eine cis-hetero-männlich-türkisch-muslimische Person of Color ist, die aus einer Gastarbeiter*innen-Familie kommt und akademisiert ist, gibt es mit Blick auf die Zugehörigkeiten in gesellschaftlichen Verhältnissen und in den Räumen, in denen sie sich bewegt, unterschiedliche Erfahrungen, die sie privilegieren oder de-privilegieren. Dies hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung und auf das Handeln in ihrem Alltag.
Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass einerseits Menschen mit Merkmalen, die gesellschaftliche Privilegien für sie eröffnen, diese häufig nicht wahrnehmen. Andererseits sind Menschen, die ein Bewusstsein über eigene Diskriminierungserfahrungen mit Blick auf ihre Zugehörigkeiten haben, im Alltag sensibler genau für diese Merkmale.
„Ich sehe was, was du nicht siehst“
„Ich kann hier keine Diskriminierung sehen“ ist eine häufige Antwort, wenn wir auf Schieflagen aufmerksam machen.
Es ist, als ob eine Person sagen würde: „Du stehst auf meinem Fuß, bitte gehe runter“ und zur Antwort erhält „Aber ich bin ein guter Mensch. Und außerdem merke ich es gar nicht“.
Methoden und Ziele eines Anti-Bias-Trainings
Menschen zu motivieren und zu befähigen, Diversität zu respektieren und Diskriminierung zu widerstehen, sind Ziele eine Anti-Bias Trainings.
Es geht es darum, sich bewusst zu werden, wie Diskriminierung funktioniert. Wichtig ist zu verstehen, dass Diskriminierung sich nicht nur auf rechtsextreme oder “böse gemeinte” Akte beschränkt. Mit Anti-Bias-Methoden werden Rassismus, Sexismus und andere Formen von Diskriminierung im Alltag, in Familie, Beruf und in Institutionen greifbar.