Inclusive Leadership

Ist Inclusive Leadership ein neues Buzzword oder ein sinnvoller Führungsansatz?

Die Vielfalt der Welt nimmt zu, was vielfältigen Unternehmen Vorteile verschafft. Vielfalt, Diversität und Inklusion sind die Schlüsselbegriffe, die im Management aktiv eingesetzt und gelebt werden müssen, um erfolgreich Unternehmen zu führen. Inclusive Leadership gewinnt an Bedeutung.   

Gesellschaften und Unternehmen werden immer vielfältiger. Die Globalisierung, die Migration, der Fachkräftemangel, die Digitalisierung und die Entwicklung künstlicher Intelligenz tragen dazu bei.

Die Welt ist groß, bunt, vor allem aber vielfältig. Genauso vielfältig sind Unternehmen, Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner. Sie haben unterschiedliche Ansichten, gehören verschiedenen Religionen an, sind Männer und Frauen, leben in unterschiedlichen Kulturen und familiären Hintergründen.

Unternehmen, die Vielfalt leben, sind näher an ihren Kunden dran, tendenziell kreativer und innovativer. Das Betriebsklima ist besser – das Image auch. Vielfalt ist Kapital, es sichert den Wettbewerbsvorteil von Unternehmen, die auf dem globalen Markt bestehen wollen. Aus genau diesem einfachen Grund ist Diversity Management so wichtig.

Was ist Diversity Management?

Diversity Management beinhaltet Maßnahmen, die seitens des Unternehmens durchgeführt werden, um für Mitarbeiter unterschiedlicher Nationalitäten und Kulturen, Religionen, verschiedenen Alters und Geschlechts, mit oder ohne Behinderung und verschiedener sexueller Identität ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sie ihr volles Leistungspotenzial entfalten und optimal im Team zusammenarbeiten können. Leitgedanke von Diversity Management ist: Die Wertschätzung der Vielfalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dient dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.

Vielfalt bringt nichts ohne Inklusion

Inklusion im Unternehmen geschieht nicht automatisch und von selbst, sobald vielfältige Mitarbeiter beschäftigt werden. Im Gegenteil, wenn diverse Teams gegründet werden, entstehen am Anfang mehr Konflikte. Damit die Inklusion gelingt, braucht es viel mehr ein aktives Tun aller Beteiligten. Die Führungskraft, das Team und die Organisation als Ganzes, insbesondere die Geschäftsführung, müssen an einem Strang ziehen und ihren eigenen, spezifischen Beitrag dazu leisten. Inklusion, die „irgendwie“, „nebenher“ oder „von selbst“ passieren soll, gelingt erfahrungsgemäß nicht.

Was bedeutet „Inclusive Leadership“?

Inclusive Leadership bedeutet, den Mut zu haben, bewusste Schritte zu setzen, um Barrieren für Menschen abzubauen, die Gefahr laufen, von der Gesellschaft oder Arbeitsgruppe ausgeschlossen zu werden. Inklusive Führungskräfte verinnerlichen eine Haltung, die Vielfalt schätzt, zur Beteiligung jedes Einzelnen einlädt und diesen begrüßt und die volle Einbeziehung in Entscheidungsprozesse und in die Gestaltung der Realität fördert.

Ohne integrative Führung sind mehr als die Hälfte aller Ideen, die marktfähig wären, und insbesondere solche von diversen Mitarbeitern, auf dem Tisch des Vorgesetzten liegenbleiben, z.B. weil dieser das Potenzial nicht erkennt. Führungskräfte müssen die Unterschiede innerhalb ihrer Teams würdigen und mit Störungen konstruktiv umgehen.

So entstehen Ideen, die das Potenzial haben, neue Märkte zu eröffnen. Erst die inclusive Leadership setzt das Innovationspotenzial einer heterogenen Belegschaft frei und schafft damit wesentliche Voraussetzungen für Marktanteilszuwächse und die Erschließung neuer Märkte. Zudem bewirken Führungskräfte, die eine offene Kultur und Meinungsvielfalt fördern, Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen und leisten damit einen weiteren Beitrag zur Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.

Ist Inclusive Leadership etwas Neues?

Inklusive Führung ist nichts grundsätzlich Neues oder anderes als Führung überhaupt. Schließlich ist es die Hauptaufgabe jeder Führungskraft, das Arbeitsumfeld und die Zusammenarbeit so zu gestalten, dass alle Beschäftigten ihre optimale Leistung geben können, damit das Unternehmen seine Ziele erreicht und natürlich das Gesamtergebnis stimmt. Es geht lediglich darum, die besonderen Anforderungen bei der Beschäftigung vielfältiger Menschen zu kennen und von Anfang an zu berücksichtigen.

Um inklusive Führung zu ermöglichen, sind bestimmte Grundlagen erforderlich

Den Wert jedes Einzelnen achten und anerkennen

Brené Brown1, eine eine US-amerikanische Forscherin zu den Themen Verletzlichkeit und Empathie, erklärt, dass ein Gefühl der Wertschätzung, das Zugehörigkeitsgefühl einer Person verbessert. Während die Angst, nicht gut genug zu sein, Menschen davon abhält, Verbindungen zu knüpfen, wodurch sie ausgeschlossen bleiben. Je mehr Menschen sich zugehörig fühlen, desto mehr sind sie bereit, etwas beizutragen. Inklusive Führungskräfte fördern dieses Zugehörigkeitsgefühl. Sie schätzen Menschen für ihre einzigartige Persönlichkeit, ihre Sichtweisen und Talente. „Das Bedürfnis nach Einzigartigkeit geht Hand in Hand mit dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit.”2

The power of vulnerability

Die Beziehungsebene: Vom Mitarbeiter zum Menschen

Inklusion bedeutet keineswegs nur eine formale Gleichstellung von Mitarbeiter, sondern ist im Alltag auch mit unterschiedlichen Emotionen verknüpft. Auf körperliche, psychische oder geistige Besonderheiten reagieren viele Menschen emotional, mit Unsicherheiten, Scham, Schuldgefühlen, Ungeduld, Befürchtungen oder Ängsten.

Hier ist jeder anders, dies hängt von den persönlichen Erfahrungen und den individuellen Lebensumständen des Einzelnen ab. Auch Vorbehalte und Vorurteile gegenüber diversen Menschen erschweren die Zusammenarbeit. Umso wichtiger ist es deshalb, dass die Führungskraft auch die emotionale Ebene angemessen berücksichtigt.

In diesem Punkt unterscheidet sie sich von anderen Führungsmodellen oder ist zumindest besonders davon geprägt. Die persönliche Haltung und der individuelle Umgang der Führungskraft mit der emotionalen Ebene der Inklusion hat im Alltag häufig wesentlich größere Auswirkungen als die noch so detaillierte Befolgung einzelner Rechtsvorschriften.

Bewusstsein für die globalen Zusammenhänge

Eine der Herausforderungen für Führungskräfte in der heutigen Welt liegt darin, das Gesamtbild zu sehen bzw. die Auswirkungen von Aktionen auf den Einzelnen und im größeren Zusammenhang abzuwägen. Das gilt für ferne Gesellschaften ebenso wie für unseren Planeten mit all seinen Ressourcen. Sich dieser Abhängigkeiten bewusst zu sein, ist eine systemische und ganzheitliche Sichtweise notwendig.

Das Ziel muss sein, eine entstehende Zukunft, die das Wohlergehen aller und nicht nur weniger verfolgt. Dies ist nicht nur ein ethisches, sondern ein wirtschaftliches Gebot.

Die Rolle der Macht

Die Autorin Lisa Vene Klasen3 unterscheidet zwischen „Macht in sich“, „Macht über“ und „Macht mit“.

Im „Macht in sich“ geht das Handeln von der „inneren Kraft“ aus, von der Energie, Stärke und Überzeugung, die Individuen und Gruppen von innen bewegen. Diese Art von Macht hat mit dem Selbstwertgefühl und der Selbsterkenntnis eines Menschen zu tun. Es ist die Fähigkeit, sich etwas vorzustellen und Hoffnung zu haben. Es bekräftigt die gemeinsame menschliche Suche nach Würde und Erfüllung.

Der zweite Begriff „Macht über“ bedeutet, dass eine Person oder Partei die Kontrolle über eine andere Person durch formale Autorität, Position und die Einsetzung von Belohnungen und Strafen ausübt. Hier wird Macht als eine Art Gewinn-Verlust-Beziehung gesehen. Macht zu haben bedeutet, sie von jemand anderem zu nehmen, um sie dann dazu zu benutzen, andere zu dominieren bzw. zu verhindern, dass andere selbst Macht erlangen.

„,Macht mit‘ hat damit zu tun, Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Interessen zu finden und kollektive Stärke aufzubauen. Es kann dabei helfen, Brücken zwischen verschiedenen Interessen zu schlagen, um soziale Konflikte zu transformieren oder zu reduzieren und gerechte Beziehungen zu fördern.

In diversen Teams ist empfehlenswert, „Macht über“ zu minimieren, „Macht mit“ zu verstärken und „Macht in sich“ zu nutzen.

Den Mut haben, Verantwortung zu teilen und zu übernehmen

Inclusive Leadership bedeutet, dass jeder die Verantwortung für Inklusion, die Unternehmenskultur und den Erfolg seiner Organisation oder der Gesellschaft als Ganzes übernimmt, nicht nur für die eigene Rolle oder den eigenen Arbeitsbereich.

Wie entsteht Erfolg in diversen Teams?

Für den Erfolg braucht es auch den passenden unternehmerischen Rahmen, eine entsprechende Kultur und eine Geschäftsführung, die Ressourcen und Rahmenbedingungen bereitstellt. Inklusion muss von oben unterstützt und gefördert werden. Nur so hat sie im Unternehmen einen ausreichend hohen Stellenwert, der notwendig ist, um Inklusion im Alltag umzusetzen und mögliche Hindernisse und Widerstände zu überwinden.

Das Team: Gelebte Inklusion bedeutet einen entspannten Umgang mit Andersartigkeit. Dabei sind auch Konflikte nicht tabu, sondern können offen und fair ausgetragen werden. Das gelingt erfahrungsgemäß dann, wenn das Team durch inclusive Leadership richtig unterstützt wird. Je inklusiver das Unternehmen geführt wird, desto offener und entspannter wird auch der Mitarbeiter mit seiner Andersartigkeit umgehen können.

Die Führungskraft: Sie ist der wichtigste Knotenpunkt. Sie hat eine besondere Bedeutung bei der Umsetzung der Inklusion. Die Führungskraft hat Vorbildrolle und agiert nach dem Motto: Vielfalt fängt bei mir an!

Führungskräfte, die über Merkmale erworbener Diversität – kulturelle Vielseitigkeit, Generationenverständnis, Genderbewusstsein, Technikwissen, internationale Erfahrung und Sprachkenntnisse – verfügen, neigen weitaus stärker zu integrativem Verhalten. Sie stellen häufiger sicher, dass die Meinung eines jeden gehört wird, sie schaffen ein risikoarmes Umfeld für neuartige Ideen, sie delegieren mehr Entscheidungen an Teammitglieder, nehmen mehr Ratschläge an und setzen häufiges Feedback um, zudem geben sie selbst häufiges handlungsorientiertes Feedback sowie die Anerkennung für gemeinsame Erfolge an das Team weiter – sechs typische Verhaltensweisen, die eine Kultur des offenen Austauschs fördern.

Referenzen:

1 Brown Brené (2010) The power of vulnerability. TedxHouston. Link:

2 Brewer Marilynn B. (1991) The Social Self: On Being the Same and Different at the Same Time. Personality and Social Psychology Bulletin, vol. 17, no. 5.

3 Vene Klasen Lisa, Miller Valeries (2007) in: A New Weave of Power. Practical Action.