Diskriminierung am Arbeitsplatz

Ist Diskriminierung am Arbeitsplatz weitverbreitet?

Diversität am Arbeitsplatz ist mittlerweile für viele Unternehmen ein Thema. Doch Wunsch und Wirklichkeit stimmen in vielen Fällen nicht überein: In einer aktuellen Umfrage der Jobbörse und Bewertungsplattform Glassdoor in vier Ländern geben 37 Prozent der deutschen Befragten an, schon einmal selber von Diskriminierung betroffen gewesen oder Zeuge davon gewesen zu sein.

Am häufigsten ist dabei die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, wie die Grafik von Statista zeigt. 24 Prozent geben an, diese Form der Diskriminierung erlebt zu haben. Mit 22 und 21 Prozent folgen Alter und Rassismus als Auslöser für Diskriminierung. Die sexuelle Orientierung nannten 15 Prozent.

Im Ländervergleich sind die Deutschen trotzdem wenig betroffen. Am höchsten sind die Werte von den vier untersuchten Ländern in den USA, gefolgt von Großbritannien und Frankreich. Nur in Frankreich ist wie in Deutschland das Geschlecht der häufigste Diskriminierungsauslöser. Sowohl in Großbritannien als auch in den USA ist es das Alter.

Die Macherinnen und Macher der Studie nennen als mögliche Ursache für die geringere Diskriminierungserfahrung in Deutschland die immer noch sehr homogenen Belegschaften in deutschen Unternehmen, die in der Umfrage ebenfalls abgefragt wurden.

Was ist Diskriminierung?

Bei der Frage, was Diskriminierung ist, wird häufig auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Bezug genommen – auch Antidiskriminierungsgesetz genannt. Das AGG selbst verwendet den Begriff Diskriminierung nicht.

Es spricht von mittelbaren oder unmittelbaren Benachteiligungen von Menschen aufgrund schützenswerter Merkmale ohne sachliche Rechtfertigung. Diese sind gesetzlich verboten. Ausschlaggebend ist die Wirkung, nicht die Intention. Das schützenswerte Merkmal stellt einen wesentlichen Bestandteil der Persönlichkeit dar und ist schwer bis nicht veränderbar.

Schützenswerte Merkmale sind Bestandteil gesellschaftlicher Machtstrukturen, die über Jahrhunderte etabliert wurden und auch trotz intensiverem Einsatz für Antidiskriminierung in unserer Gesellschaft noch immer sehr wirkmächtig sind.

Diskriminierung ist individuell und strukturell verankert: Es braucht eine Machtstruktur, welche die Benachteiligung stützt. 

Aus sozialwissenschaftlicher Sicht macht es z.B. einen großen Unterschied, ob eine homosexuelle Person behauptet, Heterosexualität sei eine Krankheit und müsse behandelt werden, oder ob eine heterosexuelle Person dies über Homosexualität behauptet. Beide Aussagen sind respektlos, beleidigend und verletzend. Die Behauptung der heterosexuellen Person entspricht darüber hinaus einer Jahrhunderte alten Geschichte der Pathologisierung, Unterdrückung, Kriminalisierung und Ermordung von Menschen aufgrund ihrer Homosexualität. Es gibt noch immer erschreckend viele Menschen, die diese Aussage teilen. Die Aussage der homosexuellen Person wird dagegen nicht viel Zuspruch finden – weder im historischen noch im heutigen Kontext – ihr fehlt die strukturelle Macht. 

Um beide Arten der ungerechtfertigten Benachteiligung voneinander abzugrenzen, wird von Diskriminierung gesprochen, wenn die ungerechtfertigte Benachteiligung aufgrund eines schützenswerten Merkmals mit Macht ausgestattet ist und einem existierenden Herrschaftsverhältnis entspricht. 

Dieser Auffassung zur Folge kann es daher z.B. keine rassistische Diskriminierung gegen weiße Personen und keinen Sexismus gegen cis-geschlechtliche Männer geben.

Diskriminierungen lassen sich hinsichtlich der Merkmale, auf die sie sich beziehen, unterscheiden. Geschützte Merkmale sind:

  • ethnische Herkunft
  • Geschlecht
  • Religion oder Weltanschauung
  • Behinderung
  • Alter
  • sexuelle Identität

Diese Merkmale werden als schützenswert betrachtet, da sie sich auf wesentliche Persönlichkeitsmerkmale beziehen und nicht beliebig geändert werden können.

Das Gesetz schützt Menschen, die aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität im Arbeitsleben oder bei Alltagsgeschäften benachteiligt werden. Dabei gibt es unterschiedliche Formen der Diskriminierung.

Diskriminierung erkennen – Barrieren abbauen

Diskriminierungsformen

Jede Form einer weniger günstigen Behandlung ist eine Benachteiligung. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Benachteiligung vorsätzlich oder in böswilliger Absicht geschieht. Entscheidend ist der nachteilige Effekt, der bei den Betroffenen durch die Ungleichbehandlung entsteht. Dem tragen die Diskriminierungsformen Rechnung.

Unmittelbare Diskriminierung – offen und direkt

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn die Ungleichbehandlung direkt an einem der geschützten Merkmale ansetzt.

Beispiele:

  • Stellenausschreibungen mit diskriminierenden Altersgrenzen
  • Die Kündigung einer Frau wegen Schwangerschaft (Geschlecht) oder
  • Die Verweigerung der Mitgliedschaft im Fitnessstudio wegen der ethnischen Herkunft.
  • Wenn für ein Kind mit Down-Syndrom automatisch höhere Kosten verrechnet werden, mit der Begründung, dass Kinder mit Behinderung mehr Aufwand erfordern.
  • Ein ausländischer Student hält gemeinsam mit einem deutschen Kommilitonen ein Referat. Der Kommilitone wird deutlich besser bewertet als der ausländische Student, obwohl ihre Leistungen gleichwertig sind.

Unmittelbare Diskriminierung beruht demnach auf der Behauptung von Unterschieden zwischen Menschengruppen, die zur Rechtfertigung von benachteiligender Ungleichbehandlung genutzt werden.

Es wird die Homogenität anderer Gruppen behauptet (»Die sind alle gleich.«), wohingegen man sich zwar selbst auch als einer Gruppe angehörig betrachtet (»wir«), aber sich dennoch auch als Individuum wahrnimmt (»ich«). Die Gruppen werden einander polarisierend gegenübergestellt (»Die sind anders als wir«) und hierarchisch angeordnet (»Wir haben mehr Rechte als die«). Diese Hierarchisierung wird schließlich durch vermeintliche Merkmale der vermeintlich homogenen Gruppe begründet (»Wir müssen mehr Rechte als die haben, denn die alle die Eigenschaft XY haben«). Die eigene Gruppe wird damit aufgewertet, die vermeintlich andere Gruppe abgewertet und die behauptete Andersartigkeit als Begründung für die Ungleichbehandlung genutzt. Dadurch erscheint die Ungleichbehandlung als nicht ungerecht sondern begründet.

Mittelbare Diskriminierung – indirekt und schwer erkennbar

Die mittelbare Benachteiligung einer Person erfolgt aus scheinbar neutralen Kriterien. Diese gelten zunächst für alle gleichermaßen, in ihrem Effekt aber wirken sie sich auf bestimmte Gruppen stärker benachteiligend aus als auf andere.

Beispiele:

  • So ist beispielsweise eine Stellenanzeige mittelbar diskriminierend, wenn Deutsch als Muttersprache für die Tätigkeit in einer Gärtnerei verlangt wird. Diese Tätigkeit stellt geringe Anforderungen an die Sprachkompetenz, schließt aber mit einer solchen Forderung diejenigen aus, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, z. B. zugewanderte Menschen.
  • Eine Studentin kann aufgrund einer Behinderung nicht so schnell schreiben wie ihre Mitstudierenden, muss die schriftlichen Prüfungen aber in derselben Zeit absolvieren wie alle anderen.
  • Wenn in einem Betrieb keine Aufstiegsmöglichkeiten für Teilzeitarbeitende gibt und die Teilzeitarbeit überwiegend von Frauen ausgeführt wird, so liegt eine indirekte Diskriminierung der Frauen vor, da die Beförderungschancen für sie im Vergleich zu den vollzeitangestellten Männern geringer sind.

Sexuelle Belästigung

Eine spezifische Form der Belästigung ist die sexuelle Belästigung, die durch ein unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten verursacht wird. Diese Verhaltensweisen reichen von unangemessenen sexuellen Anspielungen, Anstarren, anzügliche Bemerkungen, über das Verbreiten pornografischen Materials bis hin zu sexualisierten körperlichen Übergriffen. Die sexuelle Belästigung verletzt die Würde der betroffenen Person. Entscheidend ist dabei nicht, ob die Würdeverletzung beabsichtigt ist.

Mehrfach- oder mehrdimensionale Diskriminierung

Mehrfachdiskriminierung bzw. mehrdimensionale Diskriminierung kann auftreten, wenn verschiedene Diskriminierungsgründe zusammenkommen und sich wechselseitig verstärken.

Ein Beispiel für diese Form der Diskriminierung ist gegeben, wenn eine Frau mit Behinderung bei der Bewerbung um eine neue Anstellung aufgrund ihrer Behinderung erstens strukturell schlechtere Zugangschancen am Arbeitsmarkt hätte und wenn sie zweitens, als Frau dem mittelbaren Diskriminierungsrisiko einer schlechteren Bezahlung in der neuen Anstellung als Männer unterläge (gender pay gap). Beide Formen der Diskriminierung sind hierbei getrennt voneinander benennbar und analysierbar.

Intersektionale Diskriminierung

Dieser Begriff bezeichnet das spezifische Zusammenwirken von unterschiedlichen Diskriminierungsmerkmalen. Diese beeinflussen sich wechselseitig und sind nicht mehr voneinander zu trennen. So zeigen sich der soziale Status, die Erwerbssituation oder/und der familiäre Status als intersektionaler Verstärker von Benachteiligungen, beispielsweise wenn eine kinderreiche Familie Geflüchteter im Transferleistungsbezug bei der Wohnungssuche benachteiligt wird.

Ein weiteres Beispiel sind rassistische Einlasskontrollen bei Diskotheken. Diese betreffen überwiegend junge Männer, die als migrantisch wahrgenommen werden. Hier wirken junges Alter, männliches Geschlecht und ethnische Herkunft der Betroffenen zusammen. Sie werden an der Clubtür abgewiesen, weil hier alle drei Dimensionen zusammenkommen.

Nicht jede unterschiedliche Handlung, die einen Nachteil zur Folge hat, muss diskriminierend sein.

Zwar kann jede Benachteiligung, Beleidigung oder verletzende Handlung für die betroffene Person unangenehm sein, doch stellt nicht jeder Konflikt auch eine Diskriminierung dar. Diskriminierung bezieht sich stets auf schützenswerte Merkmale, die wesentlich zur Persönlichkeit gehören, nicht beliebig veränderbar und Bestandteil gesellschaftlicher Machtverhältnisse sind. Zum Beispiel:

  • Eine Studentin sagt über einen Kommilitonen: „Menschen, die Rock Musik hören, sind doch eh zu dumm zum Studieren.“ Dies ist beleidigend, kann den Kommilitonen verletzen und zu einem Konflikt zwischen den beiden führen. Der Musikgeschmack ist aber kein geschütztes Merkmal und die Aussage der Kommilitonin keine Diskriminierung.

Ebenen von Diskriminierung

  • Strukturelle Ebene: Von struktureller Diskriminierung wird gesprochen, wenn die Benachteiligung einzelner Gruppen in der Organisation der Gesellschaft begründet liegt. Die über Jahrzehnte und Jahrhunderte gewachsene Art des Zusammenlebens (Arbeitsteilung, Verteilung der Entscheid Befugnisse etc.) geht in der Regel mit patriarchalen, postkolonialen, homophoben, religiösen oder wie auch immer gearteten und begründeten Konventionen, Gebräuchen und Traditionen einher, welche die Privilegierung einzelner Gruppen bzw. die Schlechterstellung anderer Gruppen als «normal» und vorgegeben erscheinen lassen.
  • Gesellschaftliche-kulturelle Ebene (Ideologie): In Medien und Alltagsgesprächen werden ideologische Vorstellungen, Bezeichnungen und Bilder über Normalität und Abweichungen, Klischees und Vorurteile transportiert.
  • Institutionelle Ebene (Institutionalisierung): Wenn Diskriminierungen als Ergebnis des Handelns von Organisationen, Unternehmen und Verwaltungen aufgrund von Gesetzen, Verordnungen, Anweisungen, Routinen oder Unternehmenskultur entstehen, spricht man von einer institutionellen Ebene. Diskutiert wird dies beispielsweise im Bereich der Grundschule, wo Kinder mit Migrationshintergrund im Schulerfolg oft benachteiligt werden (z.B. durch vorgegebener Bewertungsmuster für Sprachkompetenzen oder durch unbewusste Erwartungshaltungen der Lehrkräfte).
  • Individuelle Ebene (Interaktion): Eine Person diskriminiert eine andere aus eigenen Beweggründen (z.B. eine Person beleidigt eine andere rassistisch)

In diesem Video sind diese Diskriminierungsformen gut dargestellt:

Konsequenzen von Diskriminierung

Individuelle Folgen

Mögliche Folgen von Diskriminierung am Ausbildungs- und Arbeitsplatz beginnen für Betroffene mit Selbstzweifeln, Unzufriedenheit und Ärger. Sie können über Ängste, Aggression und Demotivation zur Isolation und Einschränkung beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten bis hin zu Erkrankungen oder zur Aufgabe des Ausbildungs- und Arbeitsplatzes führen.

Institutionelle Folgen

Für die Institution oder den Betrieb können unbearbeitete Konflikte und fehlende Reaktionen auf Diskriminierung und Gewalt erhebliche Folgen haben.

Mögliche Folgen sind:

  • Widerstandsverlust und Spaltungstendenzen,
  • Polarisierung und der Eskalation von Gegensätzen,
  • die Zerstörung von Solidarität und Zusammenhalt,
  • Entscheidungsblockaden und der Verlust von Kreativität und Innovation,
  • die Durchsetzung des/der „Stärkeren“ und damit zur Verhinderung von Kommunikation und Diversität.

Weitere konkrete Folgen können sein:

  • Loyalitätsverlust, innere Kündigung und Demotivation von Mitarbeitenden,
  • schlechte Arbeitsergebnisse,
  • Verschlechterung des Gesprächsklimas und Beeinträchtigung der internen und externen Zusammenarbeit.
  • Längere Abwesenheit von Mitarbeitende wegen psychischer Belastung

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